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DRIVE REVIEWS

Chevrolet Corvette Grand Sport: Mehr Purismus, mehr Carbon, mehr Rennstrecke. Mehr Amerika.

Zwischen der C7 Stingray und der Z06 positioniert sich die Chevrolet Corvette Grand Sport. Der Begriff „Grand Sport“ tauchte zum ersten Mal in den 60er Jahren auf und zog sich immer wieder durch die Baureihen. Er erinnert an die ersten Erfolge der C2 im Motorsport. Herunter gebrochen ist C7 Grand Sport eine Z06 ohne den aufgeladenen Motor. Wer jetzt meint es würde sich um eine Mogelpackung handeln, der hat weit gefehlt… Eine Stingray in Z06-Optik hat bereits Erbtechnisch Anspruch auf die Rennstrecke. Aber auch auf den Drive Thru von Starbucks.

„Bereit für die Rennstrecke“ ist hier keine leere Versprechung, die Chevrolet gegenüber Corvette Grand Sport C7-Käufern macht. Das Teil ist geboren für den Racetrack! Wenn ihr nicht schon beim Anblick der deutlich verbreiterten Spur oder dem Carbon Frontsplitter mit aggressiven Endplatten Schaum vor dem Mund bekommt, dann spätestens beim Voll-Karbon Heckspoiler der Z06. Die fixierte „Gurney Flap“ erzeugt bei der Fahrt 55 kg zusätzlichen Abtrieb, wodurch die Vette in Kurven mit ihren 335er Schlappen, in den ausgestellten Radhäusern im Heck, nur so nach Traktion klafft. Andernfalls packt euch gleich hinterm Steuer die Lust.

Starbucks Drive Thru

Aber vorher ’n Kaffee! Wo? Natürlich bei Starbucks Deutschland. Amerikanischer geht es kaum! Bei uns in der Hood auf der Erkrather Straße 364 in Düsseldorf fallen wir mit der in „Torch Red“-gehaltenen Corvette C7 nicht nur aus dem Raster, wir nehmen die Priority Lane durch den „Drive Thru“. Die Freude die gesamten Aerodynamischen Anbauteile als Topping auf ein wenig Auto als Basis durch den Drive Through fahren zu sehen wird mit reichlich gezückten Handys, Smalltalk und vielen grinsenden Gesichtern belohnt.

Ein Flat White, Grande, mit Sugar Free Caramel Syrup und einen Latte, Tall. „Sie können vorfahren.“ Was für den Barista als Stretch-Übung endet während er mir den Kaffee in die Flunder reicht, ist für mich ein ordentlicher „stretch of time“. Der Starbucks Drive Thru in Düsseldorf ist für mich wie eine Zeitmaschine: zurück in das unbeschwerte Leben in Kalifornien, wo man sich gegenseitig ermutigt und unterstützt, anders als hier, wo Neid und Eifersucht vorherrscht. Die Landschaft in Washington, das Wetter in Miami. Fernweh und Heimat – das alles steckt in der Corvette Grand Sport, neben so viel mehr.

So vertraut. Ein Stück Heimat.

So geborgen wie im Bauch eurer Mutter als Fötus – daran könnt ihr euch ohnehin nicht erinnern. Ich auch nicht. Aber die Competition-Sitze mit Carbon-Einlagen auf der Magnesiumkonsole vermitteln sicherlich so ziemlich das gleiche Gefühl. Festgezurrt mit roten Sicherheitsgurten. Bondage aus Zwang. Ein Druck auf die Zündung, lässt nicht nur donnernd den LT1 aufatmen, sondern euch das Blut in’s Glied schießen. Mit dem „Drive Mode Selector“ stehen dann insgesamt fünf Fahrmodi zur Auswahl, wovon euch zwei ein Happy End garantieren: Sport und Track. Jedes Fahrprofil verändert bis zu 12 Parameter des Fahrzeugs, unter anderem auch die adaptiven Dämpfer, Lenkung, Gasannahme und die Sicherheitselektronik.

Chevrolet Corvette Grand Sport Innenraum Reflektionen Bokeh Lenkrad

Ok ok, ihr wetzt schon die Finger am abgeflachten Alcantara-Lenkrad. Muss ich jetzt echt erwähnen, dass auch hier Carbon eingearbeitet wurde?! Das ganze Ding besteht zur Hälfte nur aus Carbon, also nehmt bitte Rücksicht, wenn ich in diesem Beitrag dieses geile Material wie Serienausstattung behandle, denn mit gewissen Packages ist es das auch. Ihr wollt endlich los. Das Teil am Limit bewegen. Dann macht bitte zwei Dinge nicht. Weder macht ihr das im öffentlichen Straßenverkehr – dafür gibt es Trackdays – und zweitens: ihr lasst Gott verdammt die Traktionskontrolle und das ESP an. Immer!

6,2 L V8 x Leichtbau-Chassis x Aerodynamik-Paket

466 PS sind enorm viele Pferdchen, die die meisten von euch gar nicht erst benötigen, um an ihren eigenen Grenzbereich zu kommen. Die Corvette richtet sich an ambitionierte Fahrer und streitet nicht im geringsten ihre Rennsport-DNA ab. Wie auch, wenn lediglich das Äußere des Fahrzeugs Grund genug dafür ist an einem einzigen Tag gleich 2x von der Polizei aus dem Verkehr gezogen worden zu sein. In 50er Zonen. Strickt unter der erlaubten Geschwindigkeitshöchstgrenze. Das macht mich so unfassbar glücklich. Ernsthaft!

Dreht ihr am Fahrmodi-Schalter, dreht die Elektronik an der Empfindlichkeit der Regelsysteme. Der Bilster Berg ist mittlerweile unsere Hausstrecke geworden, der Nürburgring lediglich 1 1/2h entfernt. Wenn die Corvette Grand Sport noch im vierten Rang Wheel-Spin zu lässt, habe ich es in keiner einzigen Situation für nötig befunden nur entfernt daran zu denken die Helfer auszuschalten. Oder seid ihr Suizid gefährdet?!

Mit der GS in Verbindung mit dem Z07 Performance Paket erhalten nicht nur Carbon-Keramik-Bremsscheiben von Brembo, die vorne gigantische 394 mm messen (388 mm hinten), Einzug sondern auch die Cup-Bereifung (Michelin Pilot Sport Cup 2 ZP). Das Teil ist ein Biest. Oder eben „brutal“ wie der ebenfalls „vermeintliche“ Helfer in blauer Uniform beim Anblick der Semi-Slicks ungeniert über die Lippen brachte. Den Zollstock habe ich bei jedem Sportwagen im Handschuhfach liegen, aber die Polizei besteht ja auf ihre eigenen – manchmal sehr komisch genormten. Blanke Enttäuschung in den Gesichtern der Beamten als sie feststellten, dass die Grand Sport exakt so „brutal“ vom Werk rollt und ausgeliefert wird.

Born Racetrack ready

Mich wundert ja, dass keine Dezibel-Messung anberaumt wurde, so böse wie die vier Trompeten unterm Heck mit offener Klappe ihre Fanfare heraus posaunen (Wortspiel nicht beabsichtigt). Ich weiss wirklich nicht, was sich Chevrolet dabei gedacht hat… aber es wird schwer das mit einer 8. Generation zu toppen. Für GM selbst, aber vor allem für die Konkurrenz. Für 120.000 € bekommst du nicht unbedingt viel Auto, dafür aber einen kompletten Rennwagen. Einen Supersportler an dem absolut gar nichts mehr modifiziert werden muss. Kein lästiges Reifen transportieren, kein Fahrwerk runterdrehen, kein ECU-Mapping, keine Aftermarket-Tuninggeschichten.

Du steigst einfach ein und fährst los. Selbst wenn es 400 km bis zu Rennstrecke sind, dann bist du noch immer komfortabel dort angekommen und kriegst nach zwei Runden, in denen die Pilot Sport Cup 2 die Vette wie ein Kaugummi am Asphalt kleben lassen, gleich noch mehr Bock die Drehzahl immer öfter gen 6000 U/min schießen zu lassen, ehe die nächste Kurve kommt. Wenn das geniale Rev-Match, das wir schon aus dem Chevrolet Camaro kennen, dir beim Runterschalten das Zwischengas geben abnimmt, dann kannst du dich noch mehr auf die Ideallinie und den Apex konzentrieren, nachdem du den Bremspunkt mit einem harten Schlag aufs Pedal setzt.

Data Performance Recorder

Auch wenn das noch nicht immer mit dem Druck auf den Stempel und dem Anfahren der Kurve passt – der Performance Data Recorder der Corvette Grand Sport nimmt aus drei verschiedenen Kameraperspektiven inklusive kompletter Telemetriedaten eure Runden auf der Rennstrecke auf. Die Auswertung erfolgt dann mit einem schicken Overlay der abgesteckten Strecke mittels GPS-Positions-Abgleich und eingeblendeten Auslesewerten der Instrumente wie Gaspedalstellung, Bremskraft, g-Kräfte usw.

Sicherlich steht eine Corvette für viele Meilensteine im Leben, allen voran wenn man sie sich leisten kann. Anders als bei den übrigen „Supersportwagen“ fällt das Price Tag eben sehr schmal aus. Mit 123.900 € in der uns vorliegenden Ausstattung bleibt bei der Corvette Grand Sport so gut wie kein Wunsch offen; ich hätte sie auch gar nicht anders konfiguriert. Es ist eben eine Z06, lediglich ohne Kompressoraufladung. Zugegeben, auch wenn das Ansauggeräusch nicht mit der Z06 mithalten kann, beschert mir kein anderes Auto so ein fettes Grinsen. Zudem erfüllt es Lifegoals, wie zum Beispiel den Betreiber der Waschstraße anrufen zu müssen, um sicherzustellen, dass die 335er Bereifung an der Hinterachse auf das Förderband passt. Ein Mitarbeiter muss beim brutalen Spoilerwerk ohnehin das Fahrzeug durch die Straße begleiten. Auffallen und anders sein um jeden Preis (eigentlich einen sehr geringen).

Kult(ur)

466 PS. 630 Nm Drehmoment. Null auf hundert in 3,9 Sekunden. CO2-Emissionen: völlig egal.

Heutzutage interessieren die meisten doch nur noch Zahlen. Manchmal schäme ich mich sogar zu offenbaren, dass die Corvette GS nicht im Club der 500er mitfahren darf oder werd belächelt. Aber ich schreibe diese Zeilen stolz, denn die Gesellschaft ist abgestumpft. Durch Turbolader und Kompressor-geladene Motoren. Schwarze Schrift auf weißem Grund. Eine Objektivierung einer sehr subjektivem Angelegenheit: dem Autokauf selbst. Dabei geht es um soviel mehr. Um das Erbe, dass die Corvette Grand Sport antritt. Hier folgt Chevrolet einem cleveren Leitgedanke im Zuge der immer radikaleren Einsparungen von Modellvielfalt, Downsizing und Kostenoptimierung: Tradition not trend.

Callaway Competition C7 GT3R Cockpit

Dass die Corvette damit richtig fährt, weiß man nicht nur, wenn man mit kurzen, immer längeren Gasstößen direkt mehrere Generationen zum Lächeln bringt und sich überall Köpfe wie ferngesteuert drehen. Die Corvette Grand Sport ist Motorsport und Erfolgsgeschichte zugleich zum Anfassen. Auch im Motorsport wie den ADAC GT Masters ist die Corvette C7 GT3/R von Callaway Competition der Publikumsliebling!

Beim Cars & Coffee Düsseldorf hab ich mich dann selbst wieder erkannt und war froh Träume wahr zu machen. Drei 15-jährigen lehnten an der alten Laderampe zum ehemaligen Lager eines lokalen Metallherstellers und philosophierten. „Wenn wir es später geschafft haben, werden wir hier auch stehen.“ „Guckt euch die Corvette in gelb und dahinten in rot an“, schrie einer der Jungs während er mit dem Finger quer über’s Gelände deutete. Was er nicht wusste, dass heute sein Lucky Day war, denn kurz darauf später bot ich Passenger Rides an. Natürlich fuhr ich bei der Gruppe als erstes vorbei.

Disclaimer: Dieser Text wurde definitiv unter sehr viel Dopaminausschüttung und verstärkter Euphorie über den Empfang eines noch reinrassigen Supersportwagen geschrieben. Etwaige Metaphern, Vergleiche und Adjektive wurden stark abgemildert, um dem Text eine weniger subjektive Note aufzusetzen, was leider nicht glückte. Schade auch. MURICA!

Aufgrund der vielfältigen Eindrücke, die die Corvette Grand Sport bei jedem hinterlässt, haben wir uns auch dazu entschieden diesmal mit unserem Image Set unkonventionell zu gehen. Wir sind liberal, deshalb bekommt ihr einfach mal alles auf die Augen gedrückt! Alex Haala ist für einen Großteil der Bilder verantwortlich. Lasst ihm doch auf instagram @alexhaala ein Like da!

Von Stefan Maass

Founder of MANCVE. Publisher and Blogger at various labels. Lifestyle photographer, film maker and car maven. Fitness addict, espresso aficionado and design lover. Living in the fast lane. Sometimes more often than not inside a plane. Travel, eat, sleep, repeat.

Eine Antwort auf „Chevrolet Corvette Grand Sport: Mehr Purismus, mehr Carbon, mehr Rennstrecke. Mehr Amerika.“

Noch nie habe ich so einen sachlichen, aber auch emotionalen Bericht über die Corvette gelesen. Ich war mehr als begeistert und konnte zusammen mit Dir erleben, was Du in der Corvette fühlst.
Absolut super….den Bericht drucke ich mir aus und rahme ihn ein!!
Gruß unter „Autofreunden“….weiter so!!
Wolfi aus Hessen
Corvette C7 Grand Sport Final Edition in Orange

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